Der Dezember beginnt gleich mit einem Unglückstag. Wer am I. Dezember geboren ist, so wusste bereits Felix Dahn, »stirbt früh eines bösen Todes, und wer Ader lässt an demselben, stirbt binnen Wochenfrist. Und das ist auch ganz natürlich.«
Denn am 1. Dezember ist nach altem Volksglauben einst Sodom und Gomorrha versunken. Deshalb ist man froh, wenn dieser Tag vorbei ist und in drei Tagen schon der Barbaratag winkt.
Am 4. Dezember sollen, was nicht jeder weiß, die Barbarazweige möglichst schweigend gebrochen, nicht geschnitten oder, wie man in Bayern sagt, »gebrockt« und in die warme Stube geholt werden. Dort stellt man sie in eine Vase mit Wasser, auf dass sie an Weihnachten erblühen.
Barbara, die in Nikomedia als Tochter reicher und vornehmer Eltern auf die Welt kam, schien ein unbeschwertes Leben vor sich zu haben. Doch als sie zu einem schönen Mädchen herangewachsen war, schloss sie ihr Vater Dioscorus, wenn er auf Reisen ging, eifersüchtig in einen Turm ein, da er fürchtete, sie sonst bald an einen jungen Burschen zu verlieren.
In der Einsamkeit wandte sich das Mädchen von den Göttern ab, an die ihr Vater glaubte und bekehrte sich zum Christentum. Als dies ihr Vater erfuhr, wollte er sie in seiner Wut töten, doch sie flüchtete auf das Dach, und Engel trugen sie davon.
Schließlich fiel sie ihrem Vater doch in die Hände. An den Haaren schleppte er sie zornbebend zum Richter Martiano, der sie grausam mit brennenden Fackeln foltern, ihren Leib mit scharfen Scherben einreiben und ihr die Brüste abschneiden ließ.
Aber Barbara ließ von ihrem Glauben an Gott nicht ab. Im Jahre 306 wurde sie dann vom Vater enthauptet. Nach ihrem entsetzlichen Ende braute sich ein furchtbares Gewitter zusammen, und Blitze erschlugen den grausamen Mann.
Es verwundert daher nicht, dass auch die Nacht vordem Barbaratag eine unheimliche Los- und Schicksalsnacht ist, in der man in die Zukunft schauen kann. Wer um Mitternacht an einer einsamen Kreuzung lauscht, so glaubte man früher, könne hören, was er im kommenden Jahr zu erwarten habe.
Das Barbaralicht, eine am Barbaratag erstmals angezündete Kerze oder Lampe, gilt noch heute als Schutz gegen den Tod im Bergwerk. Aber auch schon in heidnischen Zeiten war die Nacht auf den 4. Dezember eine besondere Nacht, in der Perchta oder Bertha, Frau Holle oder Holda, aber auch andere zauberische Gestalten umgingen und vor allem boshaften Menschen Furcht und Schrecken einjagten.
In Oberfranken wurde noch in früherer Zeit der Brauch des »Bärbelilaufens« gepflegt, bei dem in Fetzen gekleidete Burschen jungen Mädchen, die sich bei Einbruch der Dunkelheit noch im Freien blicken ließen, nachliefen, sie derb beschimpften und dazu mit Ruten heftig auf sie einschlugen.
Ehemals war das Streicheln mit dem Lebenszweig zur Wintersonnwende eine magische Handlung, um Fruchtbarkeit und Lebensglück auf den Berührten herabzurufen. Mit der Zeit wurden die Streiche aber immer heftiger und hatten mit dem ursprünglich geübten Brauch bald nichts mehr zu tun.
Allerdings sollten diese Angriffe auf Mädchen, die im Dunkeln noch nicht zu Hause waren und die deshalb als liederliche Dirnen galten, wie es heißt, auch an die heilige Barbara erinnern, die von ihrem unmenschlichen Vater brutal in einen Turm eingesperrt worden war.
Die als Bärbel verkleideten Burschen stellten demzufolge zugleich den »Foltervater« dar. In dieser Funktion konnten sie die Mädchen in die Rolle der »Marterbärbl« drängen und ihnen arg zusetzen.
Der Brauch des »Bärbeletreibens« in etwas zivilisierterer Form findet heute noch am 4. Dezember in Sonthofen statt, nachdem er dort im Jahre 1973 wieder zum Leben erweckt wurde.
An diesem Tag treffen sich 60 bis 80 Mädchen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und damit an das jugendliche Alter der heiligen Barbara erinnern. Aber auch ältere Frauen nehmen teil, verkleidet als Mütterle oder Weible mit einem Schellengürtel um die Taille.
Scheppernd laufen diese Wildbärbele durch die Straßen und schwingen Weidenbuschen, gebündelt aus fünf bis sechs Gerten. Damit teilen sie an Straßenpassanten und Zuschauer fruchtbarkeitsfördernde und glücksbringende Rutenstreiche aus.
Sie spielen also ebenfalls die Doppelrolle der heiligen Barbara und ihres Vaters. Die Schläge von zarter Frauenhand werden von den davon Getroffenen allerdings lieber geduldet als die saftigen Prügel, die früher von den oberfränkischen männlichen Kollegen empfindsamen und meist auch ehrbaren Jungfrauen verabreicht wurden.
Quelle: Buch - Winter und Weihnachtsgeister in Bayern von Alfons Schweiggert ( ISBN-Nr.: 3-89254-231-0 )
Geschrieben von Edi Pauliner
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Dienstag, 26. November 2002